Wir machen das mit links

Schon vor 3 Jahren wäre eine grössere Tour nach Grossbritannien fällig gewesen. Einerseits wollten wir während 3 Monate alle Ecken auskundschaften und andererseits hatte ich damals eine Triumph-Werksbesichtigung in Hinckley organisiert, wo unsere Töffs herkommen. Aus inzwischen nicht mehr ganz überraschende Gründen mussten wir beides leider – mehrfach – verschieben. Für die Werksbesichtigung war aber im 2023 nun endlich eine Durchführung fix geplant, doch der Luxus der 3 Monate Ferien war grad nicht zur Hand. So beschliessen wir, einfach einen Teil abzufahren: Südengland und insbesondere Cornwall und Wales.

Bereit zum losfahren

Endlich sind die Koffer gepackt für 3 1/2 Wochen mit warmer Kleidung für das kalte und nasse England. Doch in der Schweiz zumindest ist es warm. Heiss eher sogar für Ende Mai. Auf kühlere Temperaturen hoffend, fahren wir schwitzend los und verlieren uns im schönen Elsass. Doch wollten wir ja eigentlich nach England, so schön es hier ist, also düsen wir weiter über die Vogesen, streifen Luxemburg und schwitzen in den belgischen Ardennen weiter hinter den Kolonnen von Wohnmobilen. Bald schon wirds sicherlich kühler in England. Je näher wir zu Calais kommen, desto mehr werden die zwei Weltkriege präsent in Form von vielen Denkmälern und Soldatenfriedhöfen. Schnell eine Fähre gebucht (die fast leer war und wir die einzigen Töffs) und schon kommen wir auf der falschen Seite der Strasse an. Linksfahren ist angesagt. Ganz einfach, solange man in einer Kolonne fährt; sobald man aber alleine ist, braucht es ganz schön Konzentration; vor allem bei den Kreuzungen.

Endlich ists kühl. Plötzlich brauchen wir das dicke Jackenfutter und es geht ein ziemlich starker, kühler Wind. In Südostengland herrscht auch viel Verkehr. Auch auf den engsten Nebenstrassen (die stets von hohen Büschen bis unmittelbar an den Fahrbahnrand bewachsen sind) kommen einem Doppelstockbusse und Lastwagen in höchstem Tempo entgegen. Dann noch all die heftigen Schlaglöcher umfahren und versuchen, mit fast 100km/h mit dem Verkehr mitzuschwimmen. Doch ab hier nehmen wir es etwas gemütlicher und gehen erstmal Totenköpfe bestaunen. In der Krypta einer Kirche sind die Knochen von etwa 3000 Menschen aufgestapelt, deren Gräber wohl mal einer Erweiterung der Gebäude weichen mussten. Sehr eindrücklich und fast schon privat wird uns dort von einer freiwilligen Helferin die Geschichte erklärt.

Regale voll Schädel in der Krypta der St. Leonard’s Church in Hythe

Auch die imposanten Ruinen zweier Kloster besuchen wir und eine Ruine eines Lusttürmchens (‚Folly‘) weckt ‚urban exploring‘ Gefühle. Die Nacht verbringen wir auf einem eigentlich geschlossenen Campingplatz wo sie uns extra einen Zeltplatz auf der hohen Wiese mähen. Der Sonnenuntergang ist gewaltig, der Wind auch. Um die 10°C erwarten uns in der Nacht und plötzlich sind wir froh, die warmen Schlafsäcke mitgenommen zu haben.

Weitsicht bis Cornwall mitsamt Sonnenuntergang direkt aus dem Zelt

Unser Navi wird immer kreativer bei der Wahl einer ‚kurvenreichen Strecke‘. Hier in England heisst dies, dass es einfach die kleinsten Strässchen aussucht, die es findet und auf denen man höchstens 30 km/h fahren kann. Selbst eine Wasserdurchfahrt überrascht uns plötzlich; hier ganz normal… Das Dartmoor ist unser nächstes Ziel. Dies ist ein grosser Nationalpark, der mit seiner Schönheit und Einsamkeit besticht. Bäume sucht man hier so gut wie vergeblich, es gibt dafür Moore und karge Hügel und viele Schafe. Schon in vorgeschichtlicher Zeit war diese Region bewohnt. Wir besuchen daher eine alte bronzezeitliche Siedlung auf einem Hügel wo die Grundmauern etlicher Rundhäuser und die zusammengefallene Schutzmauer noch immer dem Wetter trotzen. Auch Steinkreise und lange Steinreihen aus der Steinzeit prägen die Landschaft und geben den Geschichtskundlern noch immer grosse Rätsel auf.

Hochlandrinder und Schafe begegnet man in Dartmoor überall, daher ist vorsichtiges Fahren angesagt

Von hier ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Cornwall. Wir bleiben 3 Nächte auf einem eigentlich schönen, grünen Zeltplatz. Nur haben die Engländer noch nicht durchschaut, dass fürs Zelt aufstellen gerne ebene Plätze hätte. Alles ist schräg und schräger (und das weder zum ersten noch zum letzten Mal); der Schlafkomfort sinkt dadurch doch ziemlich. Dafür hat man auf einigen der Plätze (vor allem deren des ‚Greener Camping Clubs‘) sehr viel Platz ums Zelt. Häufig sind die Plätze auf einer grossen Wiese ausgemäht und/oder durch Hecken oder Bäume voneinander getrennt. Statt 30 gibt es dann halt nur 6 Stellplätze, die dafür umso schöner sind. Von hier machen wir nun Ausflüge auf die unterhöhlte Insel. Überall sind alte Gebäude von Bergwerken zugegen. Diese wurden gebraucht, um Wasser aus den bis über 600m tiefen Schächten zu pumpen oder um Mann und Material hoch- und runter zu fugen. Wohl tausende von diesen hübschen Gebäuden mit jeweils einem Kamin sind auf dieser Halbinsel zu sehen; einige Bergwerke gingen auch bis unters Meeresniveau. Leider aber sind dadurch viele nicht mehr zugänglich, da sie nach dem Abstellen der Pumpen rasch geflutet wurden. Dennoch finden wir ein paar alte Löcher direkt an den Klippen und erfreuen uns an der Kühle drinnen, denn tagsüber ist es nun doch schon wieder recht warm geworden.

Auch hier gibt es viele alte Steinhaufen. Seien sie in Kreisen oder als Hügelgrab angeordnet, oder als alte Dörfer. Schon in neolitischer bis auch in die Römerzeit wurden hier Steine en masse aufeinandergestapelt. Eine Besonderheit von Cornwall sind die ‚Fogou‘ – unterirdische Gänge und Kammern, die aber nicht als Grab sondern vermutlich zur Vorratshaltung oder Versteck gedient haben dürften. Einige davon sind noch zugänglich und müssen natürlich von uns erforscht werden. Aber auch landschaftlich hat Cornwall vor allem der Küste nach viel zu bieten; im Landesinnern ist es aber sehr landwirtschaftlich geprägt und auch eher flacher. Töfffahren wird nur dann interessant, wenn auf den schmalen Hauptstrassen ein Doppelstockbus entgegenkommt und die Autofahrer verzweifelt versuchen, ihr Auto in die Hecke zu quetschen.

Es wird eng. Die Busfahrer sind sich das aber absolut gewohnt

Auf einem abgelegenen Zeltplatz in Exmoor im Nordosten von Cornwall lassen wir diese Tage ausklingen. Direkt am rauschenden Bach haben wir einen ganzen Teil des Platzes für uns allein. Noch hat die Hauptsaison nicht begonnen und trotz Frühlingsferien in England ist fast überall noch sehr wenig los. Tagsüber ist es nun in der Sonne doch recht heiss, dafür erwarten uns noch immer einstellige Temperaturen in der Nacht. In Wales soll es wärmer werden – sollte es in England nicht eigentlich regnen?

Unsere Route

5 Gedanken zu „Wir machen das mit links“

  1. Danke für die spannenden Dokumente, viel Glück und Spass weiterhin glg Amalia

  2. spannet eure Geschichten. Macht richtig pass zu lesen und zu träumen. Weiter so.
    geniest die Reise.

  3. Die Deutschen kamen bloss bis Dünkirchen. Sorry, der musste jetzt sein. Viel Spass noch bei den Angelsachsen. Geniesst es!
    Gruss

  4. Liebe Barbara und Matti

    Danke für den tollen Reisebericht und die schönen Fotos. Ich lese das immer gerne – da kann gleich etwas mitleben 😉

    Gruess, Marc

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