Ins Land der Rentiere und Saunen

Auf ruhiger See bringt uns die Fähre in 12h quer durch die wunderschöne Schärenlandschaft mit einem Zwischenstop auf den Åland-Inseln nach Turku. Auf dem nahen Zeltplatz begrüssen uns die Wildgänse schon laut schnatternd und auch die Möwen und Seeschwalben finden die grosse Campingwiese toll. Bei einem schönen Sonnenuntergang lassen wir den langen Tag ausklingen.

Schärengarten, Turku

Das unerwartet schöne Wetter am nächsten Morgen lässt uns einen weiteren Tag bleiben und wir befahren die „grosse Schärenrundfahrt“: Eine gut 200km lange Rundtour über unzählige grössere und kleinere Inseln, die meist mit Brücken, doch oftmals auch mit kürzeren oder längeren Fähren verbunden sind; die meisten davon kostenlos.

 

Weiter zieht es uns nun nach Hanko an die Südküste und weiter dem „Königsweg“ entlang gegen Helsinki. Das „imposante“ Gemälde des Totentanzes in einer Kirche unterwegs enttäuscht uns sehr, ist es doch kaum als solches zu erkennen und auch nicht schön dargestellt, so ziehen wir nun nach Norden. Helsinki ersparen wir uns, zu wenig interessant erscheint es uns und ausserdem wollen wir endlich die Elche unter der Mitternachtssonne streicheln…

Mattis Kreditkarte wird langsam nutzlos; zwar prangt an den meisten Tankstellen das Eurocard-Zeichen, doch im Gegensatz zu Schweden scheint kein einziger Automat die Karte zu schlucken. Ab jetzt bezahlen wir alles mit unseren unlieben 50€-Scheinen um stets Kleingeld für die Automaten zu haben…

Dank unserer Detailkarte finden wir unter lauter zugebauten Seen einen für uns ganz alleine und geniessen das Bad in dem kühlen Wasser. Zum Glück hatte der niedliche Blutegel an der Badestelle wohl grad keinen Hunger – und zum Glück haben wir ihn erst nachher gesehen. Im Schein eines fantastischen Sonnenuntergangs kochen wir unsere Spaghettis und geniessen die Ruhe.

Das Dorf Teuro rechts und den Weiler Matti links liegen lassend erreichen wir Tampere und besuchen die imposante orthodoxe Kirche

Orthodoxe Kirche, Tampere

mit ihren Zwiebeltürmchen. Kaum im Infocenter angekommen, beginnt es zu regnen. Noch schnell was einkaufen und die nächsten Zeltplätze heraussuchen und los geht es in den Regen. Der erste Zeltplatz will heute auch nicht so wirklich in Existenz treten, obwohl auf der Karte so vermerkt. So düsen wir weitere 45min zum nächsten, mitten im Nirgendwo. Dort werden wir freundlich und mit wenig Englisch begrüsst und aufgrund des Wetters beschliessen wir, ein Zimmer zu nehmen. Rasch stellen wir fest, dass wir die einzigen Ausländer auf Platz sind und sich auch sonst fast nie einer hierher verirrt. Sowieso wohnen die meisten fast die ganze Saison hier und jeder kennt hier jeden. Wie es sich für die Finnen gehört ist die Sauna natürlich schon eingeheizt und kann kostenlos benutzt werden. Unter Anleitung eines jungen Finnen wird Matti in die finnische Saunakultur eingeweiht und nach dem mit Birkenholz beheizten Saunagang darf natürlich der Sprung in den angrenzenden See auch nicht fehlen. Obschon es uns hier gut gefällt und hier am nächsten Tag auch Mittsommer garantiert finnisch gefeiert wird, zieht es uns weiter via Mikkeli in die Saimaa-Seenplatte. Auch auf dem nächsten Zeltplatz sind ausser uns nur noch zwei andere Schweizer sowie zwei Holländer. Auf zwei Inseln im See wird schliesslich abends ein Feuer entzündet und ein Troubadour singt bis spät in die Nacht finnische Lieder. Zum Glück aber haben wir unser Zelt weit weg aufgeschlagen, denn der Troubadour singt selbst Nachts um 3 noch…

 

Weiterhin will das schöne Wetter nicht wirklich zurückkommen und kurz vor Savolinna werden wir wieder reichlich mit dem Nass eingedeckt, nur damit es eine halbe Stunde später schon wieder sonnig ist. Bei der Aufwärmpause in einem Tankstellencafé, von denen es in Finnland recht viele gibt und die häufig als eine Art Treffpunkt der lokalen Bevölkerung dienen, stellen wir fest, dass die Zeit hier langsamer läuft; die Menschen scheinen hier Zeit zu haben und niemand scheint im Stress zu sein.

Festung Olavinlinna, Savonlinna

Die Burg Olavinlinna aus dem 15. Jahrhundert mit ihren imposanten Rundtürmen muss natürlich dann auch noch besichtigt werden. Sie hat in den paar hundert Jahren viel erlebt; von den Schweden erbaut, von den Russen erobert, dann wieder abgebrannt und total umgebaut und zig mal belagert; so beherbergt sie viele verschiedenen Baustile sowie -materialien verschiedenster Zeiten und Kulturen.

 

Erneut nisten wir uns wegen des unsteten Wetters auf einem Campingplatz ein. In der kommenden Nacht steigt durch die vergangenen Regenfälle der Bodennebel überall auf und morgens um halb drei machen wir uns mit der Kamera bewaffnet auf den Weg zum See um ein paar schöne Dämmerungs- und Nebelbilder zu schiessen.

Holzkirche, Kerimäki

Auch der nahe Ort Kerimäki hat etwas zu bieten, nämlich die grösste Holzkirche der Welt, erbaut Mitte des 19. Jahrhunderts. Durch das viele Holz und die schlichte Bemalung wirkt das Innere extrem leicht und der Raumeindruck ist gewaltig.

 

Weiter zieht es uns nun über viele kleine und oft unasphaltierte Strassen Richtung russische Grenze nach Karelien, einer Region, die in den letzten Kriegen häufig den Besitzer wechselte und heute in einen russischen und einen finnischen Teil gespalten und auch ziemlich menschenleer ist. So haben wir auch keine Mühe, einen hübschen Platz an einem See zu finden, doch die ganze Nacht regnet es stark. In einer Regenpause können wir schliesslich das Zelt abbauen, doch schon bald begleitet uns ein dauerhafter Nieselregen bis Lieksa, wo wir den Besuch des lokalen „Ballenberges“ auf den nächsten Tag verschieben und uns ein kleines herziges „Mökki“, eine kleine Hütte nehmen. Hier essen wir die Erdbeeren, die wir zuvor an einem Stand gekauft hatten – wow, so einen feinen Geschmack haben wir noch nie erlebt!

Im Freilichtmuseum sind dutzende Häuser aus Karelien der letzten 300 Jahre ausgestellt, die meisten davon eingerichtet wie damals und zu besichtigen. Neben Wohnhäusern, Rauchstuben, Saunen (was sonst) und Schutzhütten gibt es sogar alte Boote und Flosse zu bestaunen. Im angeschlossenen Museum werden Alltagsgegenstände der Karelier der letzten Jahrhunderte präsentiert. Da Karelien stets ziemlich abgeschlossen lag, stellten die Menschen alles Mögliche selbst aus Holz und Rinde her, wie z.B. schön geflochtene Schuhe aus Birkenrinde. Viele Metallgegenstände kamen erst sehr viel später hierher als in andere Regionen.

Rentier

Bei nun wiederum schönem Wetter fahren wir kreuz und quer durch finnische Wälder, bis Matti eine Vollbremsung reisst: Ein Elch! Das gar nicht so scheue Tier lässt sich sogar zwischen den Bäumen durch fotografieren. Als wir jedoch noch weitere solche Elche in einer grosse Herde am Strassenrand rasten sehen, stellen wir fest, dass diese Sorte Tier doch eher Rentier heisst… Diese hübschen Tiere sollten wir von nun an jeden Tag und in grosser Zahl am Strassenrand antreffen.

 

Auch an unserem nächsten Zeltplatz an einem traumhaften und grossen See sehen wir noch ein Rentier und viele Spuren im Sand. Hier essen wir essen wir wiedermal ein schweizer Fondue, das wir in einem lokalen Supermarkt entdeckt hatten.

Bei wunderschönem und ungewohnt heissem Wetter fahren wir weiter Richtung Polarkreis und besuchen nordöstlich von Ruka die imposanten Kiutaköngäs-Stromschnellen. Durchgeschwitzt kommen wir zu den Töffs zurück und finden bald einen weiteren See ganz privat für uns. Weil wir grad dabei waren, hatten wir uns erneut das erstaunlich essbare Fondue im Supermarkt gekauft und baden im kühlen See. Auch am Tag darauf ist es um 30° heiss, obwohl wir nur wenige dutzend Kilometer südlich vom Polarkreis sind, darum machen wir eine kleine, gut 2-stündige Wanderung zum Oulangan-Canyon, der allerdings etwas enttäuschend ist. Noch am selben Tag überqueren wir den Polarkreis nähe Kemijärvi, der jedoch keine kühleren Temperaturen bringt. So essen wir halt einen Pott Mövenpick-Glacé. Auch finden wir hier zum ersten Mal Rentiermostbröckli und -wurst – gar nicht so übel! Auch entdecken wir hier wiedermal einen „Caramelkäse“, eine norwegische Molkenkäse-Spezialität, die wir sehr mögen. Auch das Brot ist übrigens in ganz Skandinavien ganz vorzüglich, so gibt es feines Fladenbrot und auch gutes dunkles Roggenbrot. Hervorragend sind auch die verschiedensten Lachsspezialitäten und ein Käse in Fladenbrotform „Juustoleipä“, der warm mit etwas Konfitüre und Rahm gegessen wird. Die herkömmlichen Käse, schon in Schweden, waren stets sehr mild, doch gibt es auch Käse, der mit Kümmel und Nelken versetzt ist und sehr aromatisch ist. Auch ein hervorragender Blaukäse ist hier zu kriegen.

Mitternachtssonne

Unser nächster Zeltplatz am See erfüllt endlich den einen Traum: Wir sehen die Mitternachtssonne, auch wenn sie danach hinter Wolken verschwindet. Noch am selben Abend sitzen wir bis Mitternacht im T-Shirt draussen und werden von einem trabenden Geräusch überrascht: Ein einzelnes Rentier mit imposantem Geweih trabt unbeeindruckt 10m neben uns vorbei um weiter hinten im Schilf ein Bad zu nehmen. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die Elche…

 

Doch einige andere interessante Tiere haben wir bereits angetroffen, wie zum Beispiel jede Menge Feldhasen, selbst auf Campingplätzen, Singschwäne, Eulen, Kraniche und wir hören und sehen viele weitere Vögel, die wir nicht einordnen können… Natürlich gibt es auch noch die geliebten Zeitgenossen mit dem langen Stachel, die uns bisher jedoch eigentlich nur mässig belästigt haben; da wars in Ostdeutschland fast noch übler!

In Erwartung eines weiteren heissen Tages starten wir wie tags zuvor gen Norden. Nach einer halben Stunde kocht Matti am Strassenrand einen heissen Kaffee während Barbara Hosen- und Jackenfutter montiert und zum ersten Mal die Heizjacke anzieht… Zum Glück erreichen wir eine Stunde später einen netten, baumlosen Hügel bei Saariselkä mit einem Restaurant. Hier essen wir lappländische Spezialitäten wie Lachs-Kartoffelsuppe und Rentiergeschnetzeltes mit Preiselbeeren.

Aufgewärmt und dick eingepackt geht die Reise weiter in die Inari-See-Region hinter Ivalo. Barbara will es wissen und steigt bei 14° Lufttemperatur und in etwa derselben Wassertemperatur in unseren kleinen See. Matti macht derweil ein grosses Feuer, wo wir uns für den Rest des Abends aufwärmen und lappländischen Käse grillen.

In Inari besuchen wir schliesslich das Lapplandmuseum, welches einen Einblick in die Vergangenheit, Geschichte und Leben der Samen gibt und ausserdem ein Freilichtmuseum mit Samenhäusern der verschiedenen Volksstämmen aufweist.

In einem weiteren Mökki machen wir es uns bequem und planen unsere Weiterfahrt nach Norwegen…

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8 Gedanken zu „Ins Land der Rentiere und Saunen“

  1. Hallo Ihr beiden,
    Ihr könnt Euch trösten, auch wir haben statt des Sommers eine eher milden Winter.
    Alles Gute und herzliche Grüsse
    Trudi und Hansueli

  2. Hallo Barbara und Matthias,
    ich lese mit großem Interesse Eure Reiseberichte. Am liebsten möchte man gleich aufbrechen und mit Euch mitreisen. Die Fotos sind einfach fantastisch!! Vielen Dank an Euch. Auf die Fortsetzung freue ich mich schon sehr.
    Weiterhin viele schöne Reiseerlebnisse und alles Gute.
    Renate

  3. Hallo Ihr Beiden,
    vielen Dank für Eure Berichte und Meldungen.
    Dir lieber Matthias gratulieren wir zu Deinem morgigen Geburtstag, und Euch wünschen wir für Eure weitere Reise alles Gute und mehr Glück als bisher.
    Herzlich Trudi und Hansueli

  4. Hoi ihr zwei,
    wunderschöne Worte, mit welchen ihr eure Reise beschreibt. Und erst die Bilder. Einfach genial! Da reist man praktisch mit euch mit 🙂 Bin dann auch auf den „unzensierten“ live Bericht nach eurer Rückkehr gespannt 😛
    Ein Land, in dem man Fondue kaufen kann und das Blauschimmelkäse herstellt, das muss man einfach bereisen 😉
    Viel Vergnügen auf der weiteren Reise & schönes Wetter für die weiteren Tage, Reto.

  5. Hey, das sind tolle Fotos! Wunderschön!
    Und schön zu lesen dass es Euch gut geht. Klingt toll Euer Trip, trotz teilweise nicht so gutem Wetter…
    Weiterhin viel viel Spass!

  6. Herzlichen Dank für Euren ausgezeichneten Bericht. Wir versuchen Eure Spur im Atlas zu verfolgen.
    Alles Gute für Eure weitere Reise

    Trudi und Hansueli

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