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Die Abruzzen, ein unbekanntes Paradies

Es regnet. Zumindest hier in der Schweiz. So fällt die Entscheidung nicht schwer, eine Ecke ohne übermässig erhöhte Luftfeuchtigkeit zu suchen. Die Entscheidung fällt auf eine uns bisher komplett unbekannte Region Italiens: Umbrien und die Abruzzen. Diese befinden sich entlang des Apennins, also der hügelig-bergigen Region ungefähr entlang der Mitte des Stiefels.

Doch erst müssen wir den Wassermassen entfliehen, die zum Glück gerade Kaffeepause machen, sodass wir erstmal ins Unterengadin fliehen und für eine Nacht bei einer Freundin Unterschlupf finden. Frisch gestärkt starten wir am nächsten Morgen bei Sonnenschein nach Italien; doch schon im Val Taleggio holen uns die Wolken ein und wir sind froh, endlich im Hotel nahe Clusone anzukommen. Dort wollen wir zwei Tage verbringen, Verwandte von Barbara besuchen und – wie soll’s anders sein – ein paar Ruinen anschauen. Von diesen gibt so einige in der Gegend, doch die Zeit ist zu kurz, um sie alle zu sehen. Wir konzentrieren uns auf eine ehemalige Flotationsanlage eines Bergwerks und ein früheres Ferienheim für Kinder und werden auch von den Verwandten herzlich bewirtet.

Die Schlucht des Val Taleggio

Nun aber fertig Regen, die Poebene soll es richten und tatsächlich ist es beim Ossario von San Martino schon wieder fast zu heiss, um die über 1200 Schädel und Gebeine gefallener Soldaten aus einer äusserst verlustreichen Schlacht von 1859 zu bestaunen, die hier fein säuberlich aufgeschichtet sind. Die Autobahn führt uns schliesslich weiter in die etwas kühleren Hügel der Toskana. Wir passen uns langsam an die Gepflogenheiten an; doch während wir mit verhaltenen 90km/h über die mit 30 signalisierten Strassen düsen, werden wir als grauenhafte Verkehrshindernisse mit 120km/h überholt. Aus uns unerfindlichen Gründen sind die meisten kleinen Strassen ausserorts hier pauschal mit 30 oder 50 angeschrieben, was aber grundsätzlich niemanden interessiert (inklusive die Polizei) und damit völlig sinnlos ist (das Beste war eine Bergstrasse, die relativ neu mit 30 signalisiert war, und gleich darauf noch das alte „bei Nebel 50km/h“ Schild folgte – zum Glück waren unsere Visiere etwas beschlagen…).

Ein paar ‚Schlamm-Geysire‘ später (die bei unserem Besuch nur friedlich vor sich hin blubberten), fahren wir im zickzack durch die toskanischen Berge im Landesinnern und zur Abkühlung kommt der ehemalige Kühlturm eines aufgegebenen Wärmekraftwerks grad richtig; auch dessen schattige Steuerzentrale bot einen höchst willkommenen Anblick und Einblick in vergangene Zeiten. Ganz anders bei Bagni San Filippo. Hier wärmen wir uns im warmen Thermalwasser des hiesigen Baches in freier Natur wieder auf. Hier wird sehr kalk- und schwefelreiches, warmes Wasser über riesige Sinterfälle geleitet; so kann man in einer Sinterterrasse oder dem Bach in Ruhe bädelen, ganz ohne künstliche Pools, Eintrittsgelder oder grossem Kommerz.

Salse di Nirano, Schlammgeysire die Methan, Wasser und Schlamm ausstossen und so langsam wachsen während die Erosion sie stetig wieder abträgt

Nun soll es aber endlich weiter Richtung Umbrien gehen, auf dem Weg aber müssen wir unbedingt wie damals in Portugal einen ‚inversen Turm‘ besichtigen in Orvieto. Ein fast 60m tiefer Brunnen wurde hier im weichen Fels gegraben; aussen herum mit zwei separaten, übereinander liegenden Wendeltreppen (wie eine Doppelhelix). So konnte man mit Maultieren die eine Treppe runter zum Wasser und ohne kreuzen zu müssen die andere Treppe wieder hoch.

Weiter über etruskische Altäre, verlassene (und minimal neuere) Villen, im Schlamm versinkende alte Kirchen nach Osten und endlich wird die Landschaft bergiger, schöner und einsamer und wir erreichen Umbrien. An einem idyllischen Stausee finden wir ein Plätzchen für die Nacht fast für uns allein und wir geniessen das ausgiebige Bad im angenehm kühlen See. Endlich haben wir schliesslich die Abruzzen erreicht, die grossen Agrarlandschaften Umbriens weichen bergigen Gegenden mit ausgedehnten offenen Weiden; überall wird vor Bären gewarnt, von denen wir aber leider keine zu Gesicht bekommen.

Nationalpark Majella in den Abruzzen

Im Herzen der Abruzzen schlagen wir unser Zelt auf und erkunden die Gegend auf abgelegenen Strassen und kleinen Pässen. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir am ersten Ausflugstag wieder unser Lager, danach entlädt sich ein paar Stunden lang ein ausgiebiges Gewitter, nur um uns am nächsten Morgen wieder mit dem blausten Himmel zu wecken. Auch ein riesiges Bitumenbergwerk zieht uns in den Bann, wir haben gar nicht genug Zeit, annähernd alles zu erkunden und auch der nahe Bach lädt mit seinem privaten Wasserfall zu einem Schwumm ein.

Weit sind wir vorgedrungen, südlicher als Rom schon sind wir, doch die Zeit ist begrenzt und der Rückweg weit. So schlängeln wir uns langsam wieder Richtung Norden durch die verschiedenen Nationalparks und werden in der Gegend um L’Aquila auch immer noch den Zerstörungen des grossen Erdbebens von 2009 gewahr. Noch immer sind halbe Dörfer nur noch ein Schutthaufen und viele Häuser notdürftig mit Stahlseilen und Schienen gesichert. Nur langsam läuft die italienische Maschinerie an, Barackensiedlungen sind noch immer kein seltener Anblick. Umso mehr wird auch weiter nördlich, in Castelluccio (welches 2016 von einem Erdbeben fast völlig zerstört wurde) versucht, wieder Touristen in die zerstörten Gegenden zu locken, mit einigem Erfolg wie wir merken. So wurden riesige Mohn- und Blumenfelder angepflanzt in der Ebene unten dran und damit auch busweise Touristen angelockt.

Mohnfelder bei Castelluccia

Weiter zickzacken wir nun durch die grünen Hügel von Umbrien, welche zwar viele schöne Strassen hervorbringen, aber selten schöne Ausblicke durch das dichte Grün zulassen und finden uns einige Tage später schon wieder jenseits der Poebene am Gardasee. Eine letzte spezielle Strasse wollen wir uns gönnen: die alte Militärstrasse vom Idrosee zum Passo Maniva und weiter auf der Kammstrasse zum Passo Croce Domini. Der Verkehrsfunk im GPS und das halbe Internet meldet letztere Etappe als geschlossen, die Realität ist, dass erstere Strasse eigentlich geschlossen war. Mit italienischer Entschlossenheit aber stellen wir bald fest, dass das Gitter umfahrbar ist und das Fahrverbot wohl mehr einer Willensbekundigung, dass früher oder später mal etwas gebaut werden könnte, gleichkommt. Das schmale Strässchen erfordert die gesamte Aufmerksamkeit, doch nach etlichen Kilometern folgt eine wunderschöne, in den Fels gehauene Strasse mit genialsten Ausblicken und wenig Randsicherung. Auch die nach vielen Quellen noch geschlossene (aber dennoch offiziell offene) Kammstrasse zum Croce Domini eröffnet schöne Aussichten und einige Kilometer Schotterpiste. Ein zeitaufwändiger aber wunderschöner, lohnender Umweg.

Die Militärstrasse vom Iseosee zum Passo Maniva bietet geniale Ausblicke, erfordert aber etwas fahrerische Konzentration

Ein letztes Mal übernachten wir, diesmal auf 2300m auf dem Berninapass und wir müssen uns wieder umgewöhnen. Plötzlich haben die farbigen Tafeln am Fahrbahnrand und die lustigen Striche in der Mitte der Strasse wieder eine definierbare Bedeutung und dienen nicht nur der allgemeinen Erheiterung und als Orientierungshilfe… Grad noch vor dem Regen rollen wir schliesslich wieder zu Hause vor die Garage. 3800km Kurven, schöne Aussichten, Wälder und schöne Erinnerungen werden uns hoffentlich noch lange bleiben.

Unsere Route

Unsere Route nach Umbrien/Abruzzen

Fotos

Die Suche nach dem Keincoronaland

Diese Reise wird anders. Das wussten wir von Anfang an. Zu unsicher die Coronaprognosen, zu unklar, wohin man überhaupt gehen kann.

Eigentlich wäre ja Schottland/Irland unser Ziel, schon im Jahre des Corona 2020 mussten wir diese Reise abblasen. Aktuell wäre es zwar möglich, dort einzureisen, doch würde es eine komplizierte, bis zu 10-tägige Quarantäne verlangen, zu der wir uns nicht durchringen konnten. Auch bleibt die Situation aktuell so unsicher, dass wir jederzeit damit rechnen müssten, irgendwo festzuhängen. Also .. wohin denn nun?

Matti studiert stundenlang die aktuellen Einreisebestimmungen in den umliegenden Ländern. Skandinavien ist (noch) entweder ganz zu oder mit Quarantäne belegt. Also packen wir unser altes, nie erreichtes Ziel wieder aus: Galizien.

Galizien. Die Nordwest-Ecke von Spanien. Am Atlantik gelegen und soll landschaftlich traumhaft sein. Und schlicht für ’normal-lange‘ Töff-Ferien zu weit weg. Die Länder in die Richtung haben glücklicherweise vor kurzem für Geimpfte oder Getestete aufgemacht. Mit einigem Aufwand müsste das möglich sein.

Gerade mal 36 Stunden nach Mattis Zweitimpfung (Barbara ist schon früher durchpiekst worden) und nach dem letzten (hofften wir, und sollten zum Glück Recht behalten) Fieberschub und gerade rechtzeitig zum Start des Sommers fahren wir also los. Die Töffs bis zuoberst gepackt und wir schwitzen schon brutalstens bei den ungewohnten 26°.

Doch wenn wir schon Zeit haben, wollen wir noch ein paar Bekannte und Verwandte besuchen, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben. Also geht die Reise zuerst ins Engadin wo wir bei Jann und Elsbeth unterkommen und einen schönen Abend zusammen geniessen können. Vielen Dank für die Gastfreundschaft!

Kurz noch je einen Schnelltest gemacht (den an der Grenze niemanden interessiert) und weiter über kleinste (Passo della Foppa) und kleine (Passo del Vivione) Pässe führt uns der Weg nun ins Bergamaskische zu Barbaras Cousinen und Tante. Wir werden herzlichst empfangen und verbringen dort zwei wundervolle Tage in liebevoller Gastfreundschaft und machen dank ortskundiger Führung wunderschöne Ausflüge. Auch euch allen herzlichsten Dank für die Gastfreundschaft!

Nun geht die Reise so richtig los. Doch erstmal will die heisse Po-Ebene durchquert werden. 37° messen wir in Piacenca und sind froh, endlich etwas Höhe zu gewinnen. Wir geniessen die ligurischen Voralpen und planen schon wieder unseren nächsten längeren Stopp vor der französischen Grenze. Denn für die dortige Einreise braucht Matti einen PCR-Test. Respektive kurz nachdem endlich einer gebucht werden konnte, doch nicht mehr, denn neuerdings reicht auch ein Schnelltest. Den eigentlich für das Warten auf das PCR-Resultat reservierten Tag füllen wir mit (mehr oder weniger per Zufall genau dann stattfindenden) Online-Konferenzen in einem wunderschönen B&B in den Hügeln hinter Savona. Frisch getestet interessiert es dann aber schliesslich niemanden bei der Einreise…

Im Tende-Tal die grosse Verwüstung. Das grosse Hochwasser im Herbst 2020 hatte grösste Schäden verursacht. Etliche Brücken waren eingestürzt und viele Abschnitte der Strasse abgerutscht. Selbst halbe Häuser standen noch am Ufer; die Möbel noch darin; es sah übel aus. Doch auch die Weiterfahrt über den geplanten Col de la Bonette wurde uns wegen einem kürzlichen Unwetter verwehrt, erst am Vorabend ging dort anscheinend ein Murgang nieder – die Strecke war bis auf weiteres vollständig gesperrt.

Dann halt weiter in die Verdon-Schlucht, die wir komplett umrundeten und die vielen schönen Aussichten (und feines Glacé) genossen. Begeistert geniessen wir die Ausblicke und die über uns kreisenden Geier und wollen uns gar nicht vorstellen, wie voll es hier im Sommer sein muss. Überrascht hat uns auch der nahe Lac de Sainte-Croix mit seinem azurblauen Wasser. Die Temperaturen um 30° sind inzwischen ganz normal – wie schnell man sich doch daran gewöhnt!

In unserer Familie ist keine Reise nach Frankreich komplett ohne ein Pflichtstopp in Pont-en-Royans. Im altbekannten Hotel die obligatorische Portion Ravioles und Forelle. Nun sollte das Wetter kippen. Für die nächsten Tage sind starke Regenfälle, Gewitter und Sturmböen angesagt, die auch die Schweiz treffen sollten. Kein gutes Töffwetter. Unsere Weiterfahrt passen wir dynamisch an und statt in die Auvergne gehts nun halt ans Mittelmehr hinunter. Das montierte Regenkombi erweist sich als überflüssig (und bald ziehen wir es ob der Hitze schnell wieder aus). Ziemlich trocken erreichen wir die Region um Arles wo wir uns auf einem kleinen Zeltplatz für zwei Nächte installieren. Und das hat seinen Grund.

Oh no, not again!

Das meiste Campingmaterial stammt eigentlich noch von der Skandinavienreise 2011. Trotz Generalprobe zuhause erweist sich mehr und mehr Material als angejährt. Schon beim ersten Zeltplatz explodiert ein Kissen. Kurz danach bricht eine Zeltstange, der Seidenschlafsack reisst, das zweite Kissen schliesst sich dem ersten an und eine Matte gibt ebenfalls irreparabel den Geist auf und Mattis Sonnenbrille bricht entzwei…

In Marseille gibt es zum Glück einen grösseren Outdoorshop, wo wir uns neu eindecken – ausser Mattis Brille, die muss warten. Hoffen wir, dass der Rest nun aber noch eine Weile hält …

Unsere Route